Digitale Kollaboration

Ich schlage vor, für alle Dokumente, die man gemeinsam mit anderen oder auch alleine erstellt, Markdown-Dateien und ein Versionskontrollsystem wie git in Verbindung mit einem Kooperationstool wie github oder gitlab zu verwenden. Und ich meine diesen Vorschlag umfänglich und radikal. Niemand sollte Word, Google Docs oder andere, vollkommen untaugliche Systeme für ihre oder seine Arbeit verwenden. Jede Person kann Markdown und git lernen und täten sie es, wäre die Welt ein besserer Ort. Hier will ich erläutern, wie ich zu dieser Ansicht gekommen bin und welche Lösung ich konkret vorschlage.

Geistige Arbeit

Politische Arbeit

Ich werde den Begriff der geistigen Arbeit als Verallgemeinerung der politischen Arbeit definieren. Die Strukturen und Muster sind so besser zu erkennen.

Politische Arbeit ist das Erstellen mehrheitsfähiger Beschlussvorlagen.

Dieser einfache Satz bedarf einer ausführlichen Erklärung.

Erstellung von Beschlussvorlagen

Poltische Arbeit hat, wie viele aus bitterer Erfahrung wissen, erst dann ein Resultat hervorgebracht hat, wenn ein Schriftstück ausgearbeitet (und angenommen bzw. beschlossen) worden ist. Intelligent klingende mündliche Aussagen oder schöne Versprechungen mögen von der geneigten zuhörenden Person als geistige Arbeit aufgefasst werden und womöglich ist auch ein hoher geistiger Arbeitsaufwand in die Aussagen oder Versprechungen gegangen, aber die Natur des Menschen und insbesondere die Formbarkeit seiner Erinnerungen sorgen dafür, dass diese Arbeit fast immer vergebens war. Die Aussagen werden vergessen und verändert. Ebenso und meist noch schneller alle Versprechungen. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, Dinge schriftlich festzuhalten, weil diese - in geeignter Form - nicht mehr veränderbar und verlustsicher sind. Ein solches Schriftstück bezeichne ich als Beschlussvorlage.

Wie wir alle wissen sind die Prozesse zur Annahme einer solchen Beschlussvorlage in der Politik sehr stark formalisiert (“Abstimmung”). Wie wir weiter unten sehen werden, gibt es ähnliche Prozesse aber in allen anderen Bereichen der kooperativen geistigen Arbeit.

Mehrheitsfähigkeit

Oben habe ich geschrieben, dass bei der politischen Arbeit mehrheitsfähige Beschlussvorlagen ausgearbeitet werden. Damit meine ich aber nicht, dass eine Person in der Abgeschiedenheit ihrer Kammer still und heimlich ein Dokument ausarbeitet, was dann auf Wohlwollen und Zustimmung einer größeren Gruppe trifft. Denn ohne einen intensiven Austausch mit allen Personen, die dem Entwurf zustimmen sollen, ist es so gut wie unmöglich eine mehrheitsfähige Beschlussvorlage auszuarbeiten. In diesem Prozess ist zunächst das Zuhören und Sammeln von Bedürfnissen und Anforderungen aller beteiligten Personen oder Parteien notwendig. Aber auch dies reicht im Normalfall nicht aus um mehrheitsfähige Beschlussvorlage herzustellen. Vielmehr ist zusätzlich eine intensive Überzeugungsarbeit von den Vorteilen der eigenen oder wenigstens der am wahrscheinlichst mehrheitsfähigen Inhalte zu leisten, um die beteiligten Personen zur Zustimmung zu bringen.

Verallgemeinerung

Der Begriff “Beschlussvorlage” mag etwas hochtrabend wirken, beschreibt aber gut, was Menschen im Rahmen der gemeinsamen geistigen Arbeit anfertigen. Es werden Dokumente und Entwürfe verglichen und daraus ein gemeinsames, für alle verbindliches Dokument erarbeitet. Der Beschluss (also die Zustimmung dazu, das Dokument für die Gruppe als verbindlich zu erklären bzw. anzuerkennen) macht dann aus der Vorlage ein verbindliches Dokument. Beispiele für derartige (teilweise banale) Beschlussvorlagen und damit Resultate geistiger Arbeit sind:

  • Einkaufslisten: Die Familie oder die WG sitzt am Küchentisch. Alles trägt Wünsche vor. Diskussionen werden geführt, Wünsche unter Umständen angenommen oder abgelehent (Süßigkeiten für die Kinder, etc.). Durch Auflösung der Runde wird die Einkaufsliste beschlossen, der Einkauf kann durchgeführt werden.
  • Arbeitsanweisungen: In einer Firma gibt es für komplexe Vorgänge oder aus Sicherheitsgründen genaue Arbeitsanweisungen. Diese werden im Detail mit verschiedenen Vertrer:innen von Stakeholdern diskutiert und abgestimmt. Dies können zum Beispiel die Sicherheitsbeauftragte, die Geschäftsführung, die Betriebsrätin und Behörden sein. Am Ende muss ein abgestimmtes Dokument, mit dem alle beteiligten einigermaßen zufrieden sind beschlossen werden und der Belegschaft zur Verfügung gestellt werden.
  • Berichte: Bei Sitzungen werden Protokolle angefertigt. Zum Glück eher selten, aber möglich ist, dass Teile des Protokolls falsch sind. Deshalb gibt es oftmals gewisse Einspruchsfristen, innerhalb derer Änderungen an den Protokollen gewünscht und bei Begründung umgesetzt werden können. Hier ist das Protokoll ein Entwurf für eine Beschlussvorlage, die an einem gewissen Stichtag zum Beschluss wird.
  • Wissenschaftliche Arbeiten: Wissenschaftler:innen arbeiten schon länger erfolgreich mit LaTex, welches zumindest in diesem Kontext hier als “sehr mächtige Variante von Markdown” beschrieben werden kann. Oftmals arbeiten verschiedene Personen an Papern oder Büchern, tragen inidividuell Teile bei und korrigieren die Beiträge der Mitautor:innen. Erst wenn alle Mitautor:innen mit dem Ergebnis zufrieden sind, wird das Paper vom Entwurf zum finalen Beitrag.
  • Zeitungsartikel
  • Terminkalender
  • To Do Listen
  • Verträge
  • Abmachungen
  • Testamente
  • Gesetzesentwürfe
  • Software

Die weiteren Beispiele zu erklären lasse ich als Übung für geneigte Leser:innen.

Wir sehen also, dass sich die oben für die politische Arbeit beschriebenen Prozesse auf allgemeine geistige Arbeit ausweiten lassen.

Markdown

Bei Markdown handelt es sich zunächst nur um einen gewissen Satz an Regeln für die Inhalte von einfachen Textdateien. Eine einfache Markdown-Datei könnte so ausehen:

# Mäuse

Was wissen wir über Mäuse?

## Nahrung

Mäuse essen gerne Käse.

## Leben

Mäuse leben gerne in Löchern in der Wand.

Ein gänginger “renderer”, also ein Programm, welches Markdown in ansprechend lesbare, sowie navigierbare HTML Dateien umwandelt, würde daraus diese ansprechende Darstellung erzeugen:

https://levinkeller.de/de/maeuse.html

Wir sehen, dass die Rauten vor den Zeilen Überschriften markieren. Die Anzahl der Rauten gibt die Größe der einzelnen Überschriften vor und gleichzeitig eine Hierarchie im Dokument. Dies entspricht der Möglichkeit in “Textbearbeitungsprogrammen” Schriftgrößen oder Überschriften für einzelne Wörter oder Zeilen festzulegen.

Das war nur ein sehr einfaches Beispiel. Nahezu alle Formatierungsmöglichkeiten aus den bekannten Textbearbeitungsprogrammen haben eine Entsprechung in Markdown. Am Anfang mag es etwas umständlich erscheinen, diese “Geheimsprache” zu erlernen, sie hat aber unschlagbare Vorteile gegenüber der Verwendung von Textbearbeitungsprogrammen.

Die Formatierung fast aller Inhalte dieser Seite ist mit Markdown-Features gemacht worden! Wer möchte, kann sich die Markdown-Datei gerne im Original ansehen.