Anlass für diesen Beitrag war u.A. eine Informationsveranstaltung der Bürger-Energie Leinebergland in Rössing.
Genossenschaften dienen, wie es der satzungsmäßige Zweck der Bürgerenergie-Leinebergland eG beispielhaft sagt, den Erwerb oder die Wirtschaft der Genoss:innen zu fördern1. Dies ist allerdings nicht so zu vereinfachen, als dass eine Genossenschaft für die Genoss:innen möglichst viel Rendite erwirtschaften soll oder darf2. Vielmehr soll die Genossenschaft ein Vehikel sein, in dem sich die Genoss:innen quasi basisdemokratisch organisieren um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Beispiel dafür sind:
Die Genoss:innen errichten gemeinsam Mehrfamilienhäuser um darin zu wohnen. Auf Grund des durch die Genoss:innen eingelegten Einkapitals kann die Genossenschaft als Vermieterin besonders günstig an die Genoss:innen vermieten. Die Errichtung eines Mehrfamilienhauses wäre für die Genoss:innen alleine in vielen Fällen unmöglich. Die Genossenschaft erwirtschaftet - absichtlich! - einen relativ geringen Überschuss um die Genoss:innen nicht durch hohe Mietzahlungen zu belasten. Ein gewisser Überschuss muss durch die Genossenschaft zur Kapitalbildung (Risikominimierung) und “Entschädigung” der Genoss:innen mit Einlagen erzielt werden.
Mehrere Erzeuger:innen von Waren verkaufen ihre Produkte über eine Genossenschaft an Abnehmer. Durch die größeren Liefervolumina, das Geschick von kompetenten und spezialisierten Verkäufer:innen sowie der Verhinderung von opportunistischen Dumpingpreisen in den eigenen Reihen, erhoffen sich die Genoss:innen einen höheren Verkaufspreis. Auch hier werden die Genoss:innen darauf achten, dass der Überschuss der Genossenschaft und die Dividende nur so hoch ist, dass es für die kapitalgebenden Genoss:innen attraktiv bleibt, der Genossenschaft das nötige Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Alle Überschüsse in der Genossenschaft gehen schließlich zu lasten der Verkaufspreise, die die Genossen für ihre Produkte erhalten.
Im Grunde das gleiche wie bei Vertriebsgenossenschaften mit umgekehrtem Vorzeichen. Auch hier werden die Genoss:innen die Gewinne in der Genossenschaft auf das niedrigst mögliche zu reduzieren versuchen. Hier gibt es übrigens noch das interessante Instrument der Rückvergütung: Statt eine Dividende zu zahlen können auch Erstattungen auf die Einkaufspreise an die Genossen gezahlt werden. Im Gegensatz zur Dividende sind diese Rückvergütungen nicht zu versteuern.
Eine gewisse Sonderrolle spielen die “gemeinnützigen Genossenschaften”. Hier gibt es keinen direkten wirtschaftlichen Nutzen für die Genoss:innen. Dennoch werden die Genoss:innen solchen Genosssenschaften die Gewinne (wenn es überhaupt welche gibt) der Genossenschaft möglichst gering zu halten versuchen, um den Effekt für die Gesellschaft zu maximieren.
Die sogenannten Bürgerenergie-Genossenschaften bilden in dieser Reihe meiner Meinung nach eine merkwürdige Ausnahme: Sie sind nicht in der Lage, den Erwerb der Genoss:innen direkt zu fördern. Es ist schlicht in Deutschland nicht möglich, dass eine Bürgerenergie-Genossenschaft ihre Genossen mit Energie beliefert. Zwar muss Deutschland auf Grund der Binnenmarkrichtlinie der europäischen Union3 entsprechende Möglichkeiten gesetzlich schaffen, konkrete Pläne sind mir dazu aber nicht bekannt. Das Ziel scheint mir deshalb über den “Umweg” der Rendite erreicht werden zu sollen: Die Genoss:innen profitieren über hohe Dividenden von steigenden Strompreisen und können diese Dividenden verwenden, um die eigene hohe Stromrechnung zu kompensieren. Leider hat diese Idee mehrere Fehler:
Die Idee, den Erwerb der Genoss:innen so zu fördern, halte ich für abwegig. Das kann nur funktionieren, wenn die Genossenschaft ihre Genoss:innen direkt mit dem erzeugten Strom beliefert. Bis dahin erscheinen mir die Bürgerenergie-Genossenschaften eine idiologisch getriebene Veranstaltung zu sein.
Ein interessanter Aspekt ist hierbei noch, dass meiner Analyse nach die Bürgerenergie-Genossenschaften gezwungen sind, Kapital zu akkumulieren. Ähnlich wie Wohnungsbaugenossenschaften, werden sie durch den Verzicht auf die vollständige Ausschüttung von Gewinnen an die Genoss:innen ein immer höheres Eigenkapital anhäufen. Dieses Eigenkapital ist dem Zugriff bzw. der Ausschüttung an die Genoss:innen dauerhaft entzogen. Zwar können Genoss:innen ihre Anteile kündigen, sie erhalten aber nur den Nennbetrag ihrer Anteile ausgezahlt, nicht “ihren Anteil” am während ihrer Beteiligung hinzugekommenen Eigenkapital. Insofern ist die Genossenschaft für die Förderung des Erwerbs der Mitglieder im Fall der Energieerzeugung sogar schlechter, als es zum Beispiel geschlossene Fonds wären: Hier hätten die Beteiligten bei Austritt einen Anspruch auf alle Gewinne der Gesellschaft, die sie ja immerhin durch ihre hohen Stromzahlungen erst ermöglicht haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es meiner Meinung nach zunächst eine Reform der gesetzlichen Bedingungen in Deutschland bedarf, bevor Bürgerenergiegenossenschaften sinnvoll den Erwerb der eigenen Genoss:innen unterstützen können. Bis dahin sind sie mehr als gemeinnützige Genossenschaften zu begreifen.
Sollte sich die Gesetzeslage in Deutschland ändern, sieht die Analyse schon anders aus. So halte ich es für eine schöne Vorstellung, wenn es Gesellschaften gibt, die es Personen ermöglichen, die Stromerzeugung in die eigene Hand zu nehmen, um sich von schwankenden oder steigenden Strompreisen unabhängig zu machen. Solche Gesellschaften müssten meiner Meinung nach dann aber nicht nur Photovoltaikanlagen betreiben. Die Errichtung und das Management von Großspeicheranlagen, Smart-Grids und der Betrieb von (aus umweltschutzgründen und zur Minimierung von Flächenverbrauch) hauptsächlich Windkraftanlagen wären notwendig, um die tatsächliche “Selbstversorgung” der beteiligten zu gewährleisten. An solchen Gesellschaften (ob Genossen oder anders) würde ich mich gerne beteiligen.
Bis dahin werde ich auf mein derzeit favorisiertes und meiner Analyse nach effizientestes Werkzeug zurückgreifen: Den Aufkauf und die anschließende Vernichtung von CO2-Zertifikaten. Ich hoffe, auch hierzu bald einen Artikel schreiben zu können.
Leider kann ich dafür keine belastbare und eindeutige Quelle anführen, aber nach diversen Rücksprachen mit Menschen aus Genossenschaften und Recherchen im Internet bin ich der Überzeugung, dass die alleinige Ausrichtung auf maximale Rendite einer Genossenschaft rechtswidrig ist. Genossenschaften sind von der Gesetzgeberin gegenüber anderen Gesellschaftsformen priviligiert, weil ihnen ein besonderer Mehrwert für die Gesellschaft zugeschrieben wird. Dies wäre bei einer reinen Renditegenossenschaft nicht gegeben. Ich würde mich sehr über Hinweise freuen, die diese Vermutung bestätigen oder widerlegen. ↩